Durham ist eine Partnerstadt meiner Heimatstadt Tübingen. Auf englisch nennt man diese Beziehungen "Twin Towns" oder "Twin Cities", also Zwillingsstädte, und in der Tat habe ich bisher noch keine andere Stadt gesehen, die so ähnlich wie Tübingen ist. Ich werde also hier vor allem auf diese Zwillingsbeziehungen eingehen, wer allgemeine Informationen zu Durham sucht, wird auf Wikipedia oder sonst im Internet fündig.
Ich habe mich zwar vorher etwas über Durham informiert, aber eigentlich wäre es nicht notwendig gewesen. Wer die Topographie Tübingens kennt, kennt auch Durham, und natürlich gilt das auch umgekehrt. Bergauf geht es zum Schloss, den Berg hinunter zum Wasser.
Beides sind Universitätsstädte. Für Tübingen gilt ja das Bonmot "Tübingen hat keine Universität, Tübingen ist eine Universität". Für Durham gilt dies noch viel extremer: Durham ist nur eine Universität, mit einigen Versorgungseinrichtungen. Interessanterweise gehört dazu auch ein Gefängnis, in Tübingen liegt es in der Nachbarschaft in Rottenburg.
Von den Hörerzahlen ist die Universität Durham wesentlich kleiner. Sie streitet sich mit anderen prominenten Orten um den Titel "drittälteste Universität" (nach Oxford und Cambridge). Aber dafür ist Durham schon lange Weltkulturerbe (seit 1986), Tübingen hat es (2013) vergeblich versucht.
Beide Ort sind sehr hügelig. In Deutschland weiß man dies spätestens seit dem Hit von Martha und Frauke. In Durham hat man schon viel früher darüber gejammert, dass man zu viele Treppen steigen muss. Ein untrügliches Zeichen sind auch die Akkus für die E-Bikes, die in Durham doppelt so groß sein müssen, wie bei uns, damit man sicher wieder nach Hause kommt.
Viele Probleme, die man in Tübingen immer wieder diskutiert, wie rücksichtslose Radfahrer, Autos in der Fussgängerzone, schlechte Straßenpflaster, nicht gesäuberte Treppen hat Durham genauso.
Es gibt auch Car-Pools, sie heißen dort Car Clubs, mit Sonderparkplätzen auf dem Bahnhof.
In beiden Orten wird der Fluss (in Durham der River Wear) gestaut, u.a. damit man Wassersport treiben kann. In Durham erlaubt dies sogar einen kleinen Ausflugsverkehr mit dem Boot. Beide Universitäten unterhalten Botanische Gärten.
Beide kleinen Orte haben einen Marktplatz mit Rathaus und einem Neptunsbrunnen. Und beide Orte haben in der Nachbarschaft eine große Stadt im Norden, in Durham ist es Newcastle upon Tyne und in Tübingen die Stadt Stuttgart.
Auch wenn es Zwillinge sein mögen, eineiig sind sie sicher nicht. Nicht nur, dass Durham sehr britisch ist und Tübingen sehr schwäbisch. Durham ist wesentlich älter, hat sogar einen eigenen Heiligen und eine beeindruckende Kathedrale, die bald 1000 Jahre alt sein wird und ein beliebtes Touristenziel ist. Dafür ist das Wetter in Tübingen unvergleichlich besser.
Die Studierenden in Durham sehen nicht nur jünger aus, sie sind es auch. Das verwundert weiter nicht, weil Deutschland mit die ältesten Studenten der Welt hat. Bedenklich daran ist nur, dass die deutschen Bildungspolitiker auch noch stolz darauf sind.
Viele Unterschiede sind für Touristen unsichtbar. Zum Beispiel die Finanzierung eines Studiums (im College System) und was es gesellschaftlich bedeutet, studieren zu können.
Im Durham Castle kann man als Tourist übernachten, man kann es auch für Events buchen und es fährt auch ein Bus zum Schloss. In Tübingen hat man im Osten und Norden der Stadt die Universität erweitert, in Durham im Süden. Die für Tübingen so wichtigen, großen Kliniken fehlen in Durham. Es gibt eine eigene Polizeistation in der Schlossanlage.
Ich habe mit dem Officer länger geredet. Er war sehr erstaunt, dass es vergleichbares in Tübingen nicht gibt. Ob denn in Deutschland die Studenten so viel disziplinierter wären? Der Unterschied liegt woanders: Das Tübinger Schloss wird nachts einfach abgesperrt, in Durham wohnen die Studentinnen und Studenten im Schloss und da macht eine Wache sehr viel Sinn.
In Tübingen hält jeder Zug, in Durham fahren auch Personenzüge durch. Beide Universitäten haben zwar vergleichbare Fachrichtungen, sind aber sehr verschieden organisiert, in Tübingen gibt es z.B. einen signifikanten Frauenüberschuss, in Durham sind die Geschlechteranteile ausgeglichen.
In Durham ist der Bahnhof nicht im Tal, sondern auf der Höhe im Westen, gegenüber der Kathedrale, und man hat von den dort einen tollen Blick von oben auf die Stadt.
Zu Studienbeginn werden in Durham anreisende Studenten von ihren Kommilitonen am Bahnhof begrüßt, ähnliches habe ich in Tübingen noch nie gesehen.
Durham hat ein perfektes Stadtinformationssystem, überall sind Richtungszeiger, auch Toiletten sind ausgeschildert. In Tübingen kennt man das noch nicht. Dafür ist in Tübingen das Tourismusbüro auch am Sonntag geöffnet, in Durham gibt es generell nur Telefonauskünfte.
Wie überall in England sind viele Geschäfte auch am Sonntag geöffnet. Das wäre auch für Tübingen keine schlechte Idee.
In Tübingen sind die Partnerstädte ganz gut bekannt. Sicherlich nicht alle, denn dazu sind es zu viele. Aber Dank der Initiative von Dr. Keith Armstrong aus Newcastle upon Tyne, der regelmäßig Tübingen besucht und hier Lesungen hält, wissen viele Leute, dass Durham eine Tübinger Partnerstadt ist. Von den 5 Menschen, mit denen ich mich in Durham länger über ihre Stadt unterhalten habe, wußte keiner Bescheid, dass die Universitätsstadt Tübingen eine "Twin Town" ist, geschweige dem, wo sie liegt.
Obwohl ich meine langjährigen, privaten Stadtmarketing Aktivitäten zu Tübingen ständig reduziere, so habe ich am Sonntag 19. August 2012 meinen Aufenthalt in Manchester doch zu einem Tagesausflug nach Durham genutzt. Mit etwa 5 Stunden Bahnfahrt, die mich nur so an die 60 Euro gekostet hat, war ich insgesamt 6 Stunden in Durham.
Die ersten zwei Stunden habe ich mit dem Fotografieren der wichtigsten Plätze verbracht, soweit sie zugänglich waren und man Bilder machen durfte. Für die Universität im Schloss (an diesem Tag geschlossen, keine Führungen) und die Kathedrale von Innen (Fotografierverbot, auch ohne Blitz) war dies leider nicht möglich.
Die Wettervorhersage war präzise und es hat wie vorausgesagt 4 von den 6 Stunden geregnet. Gut vorbereitet bin ich zwei Stunden auch im Regen durch die sehr überschaubare Kleinstadt gegangen, die anderen zwei Stunden habe ich zuerst im kleinen Einkaufszentrum und dann im Bahnhof verbracht, was eine kluge Entscheidung war, denn dort war verhältnismäßig viel los. Regen ist sehr häufig in dieser Gegend, meine Fotos sind also durchaus typisch.
Selbstverständlich habe ich mich gefragt, warum so wenig Durhamer (man nennt sie korrekt Geordies) wissen, welchen nahen Zwilling sie in Süddeutschland haben. Der Stadt Tübingen gebe ich daran keine Schuld, denn unser Fachbereich Kultur macht im Rahmen seiner Möglichkeiten genug, um diese - meiner Meinung nach wichtigen - Städtepartnerschaften zu pflegen. Auch die Universität Tübingen scheint mir aktiv genug zu sein, unter den vielen wissenschaftlichen Partnerschaften auch Durham anzubieten.
Fruchtbarer als die schon bestehenden Kontakte wäre wahrscheinlich eine gelegentliche Zusammenarbeit der lokalen Medien von Tübingen und Durham, z.B. der Zeitungen. Na, vielleicht greift jemand diese Idee auf.
www.euxus.de/durham-england.html